Was ist Härte? Welche Härteprüfverfahren gibt es?

Stellen Sie sich vor...
Man könnte auf einen Stahl schauen und sofort erkennen, wie robust er ist, wie er auf einen Schlag reagiert oder sich im Produktionsprozess verhält. Nicht nur durch bloßes Hinsehen – aber mit den richtigen Tests ist das möglich!
Und genau hier kommt der Begriff Härte ins Spiel.
Aber Moment mal...
Was genau bedeutet eigentlich Härte? Glas ist ebenfalls hart, zerbricht aber beim Herunterfallen. Warum zerbricht Stahl nicht? Bedeutet hart automatisch auch widerstandsfähig?
In diesem Artikel finden Sie auf all diese Fragen klare Antworten.

Was ist Härte?

Der Begriff „Härte“ klingt einfach – ein einziges Wort. Doch in der Werkstoffkunde verbirgt sich hinter diesem Begriff eine komplexe Welt.
Also, was bedeutet Härte wirklich?

In ihrer einfachsten Definition:
Härte ist der Widerstand eines Werkstoffs gegen plastische (bleibende) Verformung.
Aber ist das schon alles? Nein, ganz sicher nicht.
„Glas ist hart, Stahl ist hart... Aber das eine zerbricht, das andere verbiegt sich. Warum?“
Weil Härte nicht allein das gesamte Verhalten eines Werkstoffs beschreibt.

Härte ist:
•    Der Widerstand eines Werkstoffs, wenn ein harter Körper in seine Oberfläche gedrückt wird,
•    Ein Maß für die Anfälligkeit der Oberfläche für Kratzer oder Eindringen,
•    Ein Indikator für die Verschleißfestigkeit einer Oberfläche.

Achtung:
Nicht jeder harte Werkstoff ist zäh.
Und nicht jeder zähe Werkstoff ist hart.

Härte ≠ Zähigkeit

Ein Beispiel:
Diamant ist der härteste natürliche Werkstoff, aber kann mit einem Hammerschlag zerspringen.
Federstahl hingegen ist deutlich weniger hart, aber er kann sich bei Stoßbelastung elastisch verformen und bricht nicht.

Was heißt das?
Härte beschreibt den Oberflächenwiderstand,
Zähigkeit die Widerstandsfähigkeit gegen Schlagbeanspruchung.
Deshalb darf der Kerbschlagbiegeversuch nicht mit einer Härteprüfung verwechselt werden.

Härte gibt dem Material Charakter
Aus Sicht eines Ingenieurs ist die Härte eine der ersten Prüfungen, um:
•    den Verschleißgrad von Zahnrädern zu beurteilen,
•    die Standzeit von Messern abzuschätzen,
•    die Wirksamkeit von Oberflächenbeschichtungen zu testen.
Härte ist also nicht nur ein wissenschaftlicher Wert, sondern hat auch einen hohen praktischen Nutzen.
Aber wie ist das alles eigentlich entstanden?

Die Geschichte des Härtebegriffs

Heute messen wir Härte mit digitalen Geräten in modernen Laboren.
Aber vor Jahrhunderten – wie bestimmten Menschen, welcher Stein härter ist?

Im Steinzeitalter war es ein Gefühl.
In der Industrialisierung wurde daraus eine messbare Eigenschaft.
Für den Menschen war Härte schon immer entscheidend:
Werkzeuge, Waffen, Rüstungen – sie mussten härter sein als ihr Gegner.
Man rieb verschiedene Steine aneinander, um deren Widerstand zu vergleichen.
Doch die wissenschaftliche Grundlage kam viel später.

Die Mohs’sche Härteskala von 1812: Einfach und revolutionär

1812 entwickelte der deutsche Mineraloge Friedrich Mohs eine Härteskala, die auf dem Kratzverhalten von Mineralien basiert.
In dieser Skala:
•    Talk ist der weichste (1),
•    Diamant der härteste (10).
Denk mal drüber nach:
Mohs legte damit einen der Grundsteine der modernen Werkstoffprüfung. Und seine Skala wird bis heute verwendet – das spricht für ihre Relevanz.
Aber: Die Mohs-Skala ist nicht numerisch exakt, sondern relativ.
Es wurden präzisere Methoden benötigt.

Beginn des 20. Jahrhunderts: Industrielle Härteprüfverfahren entstehen

Um 1900 entwickelte der schwedische Ingenieur Johan August Brinell die erste wissenschaftlich fundierte Methode:
Er drückte eine Stahlkugel in die Oberfläche eines Metalls und ermittelte die Härte anhand des Durchmessers der Eindruckfläche.
Diese Methode wurde bekannt als: Brinell-Härteprüfung.

Danach folgten weitere Verfahren:
•    Rockwell (1914): basiert auf der Eindringtiefe, liefert schnelle Ergebnisse.
•    Vickers (1920er): mit einer Diamantpyramide – präziser und universell einsetzbar.
•    Knoop (1950er): speziell für Mikroprüfungen entwickelt.
Jedes dieser Verfahren wurde zur Lösung spezieller Anforderungen geschaffen – und half der Industrie beim Wachstum.
Heute?
Messen wir Härte nicht nur bei Metallen, sondern auch bei Kunststoffen, Glas, Keramik und sogar bei biomaterialien.
Und das in Sekunden – dank digitaler Geräte, die an Mobiltelefone angeschlossen werden können.
Die Geschichte der Härtemessung ist auch eine Geschichte des Verständnisses von Werkstoffen.

Warum ist Härte so wichtig?

Weil Härte den Charakter eines Materials beschreibt.
Ähnlich wie die Geduld eines Menschen – zeigt Härte, wie stark ein Material äußeren Einflüssen standhält.
Und diese Information ist nicht nur akademisch interessant – sie ist lebenswichtig für Branchen wie:
•    Produktion,
•    Luft- und Raumfahrt,
•    Automobilindustrie,
•    Medizintechnik und viele mehr.

Ein Beispiel:
Bei Fahrwerken von Flugzeugen wird die Oberflächenhärte von Titanlegierungen gezielt gemessen, um sicherzustellen, dass bei der Landung keine Verformung durch Reibung auftritt.
Ein Fehler im Millimeterbereich kann katastrophale Schäden verursachen!

Warum messen wir die Härte von Materialien?

Egal ob Stahl, Aluminium oder Kunststoff –
Wer ein Material bearbeiten, formen oder in eine Konstruktion integrieren will, muss eines der ersten Dinge wissen:
Wie hart ist es?

Einige Beispiele aus der Praxis:
•    In der Automobilindustrie: Wird die Härte einer Bremsscheibe nicht korrekt gemessen, kann sich der Bremsweg nach wenigen hundert Kilometern verlängern.
•    Bei Schrauben: Ist die Spitze zu hart, kann sie brechen. Ist sie zu weich, dringt sie nicht ins Material ein.
•    Bei medizinischen Nadeln: Ohne optimale Härte leidet sowohl die Patientenkomfort als auch die Sterilität.

Und das sind nur einige Beispiele.
Vom Bauwesen über Medizingeräte bis hin zur Raumfahrttechnik –
fast alle ingenieurtechnischen Anwendungen basieren auf der exakten Kenntnis der Härtewerte.

Härteprüfverfahren

„Wie hart ist ein Werkstoff? Und wie messen wir das?“
Jetzt betreten wir die Werkstatt der Werkstoffprüfung.
Denn: Härte ist keine Eigenschaft, die man mit bloßem Auge erkennen kann.
Deshalb haben Wissenschaftler und Ingenieure im Laufe der Zeit verschiedene Prüfmethoden entwickelt, um den Oberflächenwiderstand in messbare Werte zu überführen.
Aber Moment...
Funktionieren alle Tests nach dem gleichen Prinzip?
Natürlich nicht!
Härteprüfverfahren lassen sich grundsätzlich in drei Hauptkategorien einteilen:
•    Ritzhärte (Scratch Hardness)
•    Eindruckhärte (Indentation Hardness)
•    Rückprallhärte (Rebound Hardness)
Jede Methode basiert auf einem eigenen physikalischen Prinzip.

1. Ritzhärte – Wer ritzt wen?

Die älteste Methode zur Härtemessung.
Das Grundprinzip: Ein härterer Werkstoff ritzt einen weicheren.
Hierauf basiert die Mohs’sche Härteskala, die Friedrich Mohs 1812 entwickelte.
Sie besteht aus 10 Mineralien, die sich gegenseitig ritzen können oder nicht.
•    Talk: Härtegrad 1 (leicht ritzbar)
•    Diamant: Härtegrad 10 (ritzt alle, selbst nicht ritzbar)
Ein Diamant ritzt Glas – aber Glas kann einen Diamanten nicht beschädigen.
So einfach ist das.

2. Eindruckhärte – Wir messen die Tiefe

Hier wird es genauer:
Ein Prüfkörper (z. B. Diamant, Stahlkugel) wird mit definierter Last in den Werkstoff gedrückt.
Dann wird der Eindruck – Tiefe oder Durchmesser – gemessen.
Die gebräuchlichsten Härteprüfverfahren basieren auf diesem Prinzip:

Rockwell-Härteprüfung (HR)
Schnell, praxisnah und vielseitig.
Ablauf:
•    Vorkraft → Hauptkraft → Eindringtiefe messen
Verwendete Prüfkörper:
•    120° konischer Diamant (für harte Materialien: Skala C, A)
•    Stahlkugeln 1/16", 1/8" (für weichere Materialien: Skala B, E)
Messung erfolgt in Sekunden – ideal für Produktionslinien.

Brinell-Härteprüfung (HB)
Robust, aber gröber.
Eine große Stahl- oder Hartmetallkugel wird mit hoher Last auf die Materialoberfläche gedrückt.
Gemessen wird der Durchmesser des bleibenden Eindrucks.
Vorteile:
•    Ideal für weiche oder heterogene Materialien
•    Nachteil: Großer Eindruck, kann Oberfläche dauerhaft beschädigen

Vickers-Härteprüfung (HV)
Der Klassiker im Labor.
Ein pyramidenförmiger Diamant-Prüfkörper mit quadratischer Basis wird verwendet.
Nach der Belastung werden die beiden Diagonalen des Eindrucks gemessen.
Formel basiert auf Kraft / Eindrucksfläche.
Beispielhafte Angabe:
455 HV / 30 / 20 = 30 kg Last, 20 s Einwirkzeit, 455 Vickers-Härte
Besonders geeignet für:
•    Dünne Schichten, harte Oberflächen
•    Mikrohärtemessung
•    Normkonform (ASTM E92, DIN 50133)

Knoop-Härteprüfung (HK)
Wenn es noch feiner sein muss…
Ein asymmetrisch länglicher Diamantprüfkörper erzeugt extrem kleine Eindrücke – ideal für:
•    Keramiken
•    Dünne Beschichtungen
•    Biomedizinische Materialien

3. Rückprallhärte – Die Kraft des Rücksprungs

Hierbei wird ein Hammer oder Fallkörper auf die Oberfläche fallen gelassen, und die Rücksprunghöhe wird gemessen.
Durometer / Shore-Härteprüfung
Für weiche Werkstoffe wie:
•    Gummi
•    Kunststoffe
•    Elastomere
Verwendete Skalen: Shore A, Shore D
Hinweis: Diese Methode eignet sich nicht für Metalle!

Schlagbiegeversuch (Charpy / Izod) – Achtung!

Kein Härte-, sondern ein Zähigkeitstest!
Er misst, wie viel Energie ein Werkstoff bei plötzlicher Belastung absorbieren kann, bevor er bricht.
Beispiel:
•    Diamant = hart, aber spröde (nicht zäh)
•    Federstahl = zäh, aber nicht extrem hart

Für welche Werkstoffe eignet sich welche Härteprüfung?

Stellen Sie sich vor:
Auf dem Tisch liegen:
Ein Stück Stahl, Kunststoff, eine Keramikplatte und eine glänzende Legierung.
Kann man alle mit demselben Härteverfahren testen?
Klare Antwort: Nein.
Warum?
Weil jedes Material anders reagiert – abhängig von:
•    Struktur
•    Elastizität
•    Plastischer Verformbarkeit
•    Oberflächenbeschaffenheit

Ein kurzer Leitfaden nach Werkstoffarten:

1. Metalle und Legierungen

„Die Klassiker“ in der Härteprüfung.
Geeignete Verfahren:
•    Rockwell
•    Brinell
•    Vickers
•    Knoop
Warum?
Weil Metalle plastisch verformbar sind – ideal für Eindrucktests.

2. Keramiken

Sehr hart, aber spröde.
•    Nicht geeignet: Rockwell, Brinell
•    Geeignet: Vickers, Knoop (Mikrohärte)
Fun Fact:
Ein Smartphone, das auf eine Porzellantasse fällt =
Zwei harte, aber nicht zähe Materialien – Bruchgefahr!

3. Polymere und Kunststoffe

Weich, flexibel, elastisch.
Bestes Verfahren:
Shore-Durometer (Shore A, Shore D)
•    Messung durch Eindringen einer federbelasteten Nadel
•    Typischer Wert: „Shore A 85“

4. Beschichtungen & Dünnfilme

„Ich will nicht das Material, sondern die Oberfläche prüfen.“
Dann kommen Mikro- und Nanohärteprüfungen ins Spiel:
•    Vickers Mikro
•    Knoop
•    Nanoindentation
Ideal zur Bewertung von Beschichtungsqualität, Schichthaftung, Oberflächenbehandlungen

5. Biowerkstoffe & Sonderanwendungen

Titanimplantate, Zahnkronen, Prothesen...
Hier zählen:
•    Härte
•    Biokompatibilität
Empfohlene Verfahren:
Vickers, Knoop, Mikrotests
Und Glas?
Sehr hart, aber extrem spröde.
Deshalb: Vorsicht bei der Belastung!
Vickers oder Knoop werden meist eingesetzt – aber mit niedriger Prüfkraft, um Schäden zu vermeiden.
Jede Härteprüfung ist so individuell wie ein Fingerabdruck.
Falsche Methode = falsches Ergebnis!

Der Unterschied zwischen Härte und Härtbarkeit

Viele verwechseln diese Begriffe – doch sie sind nicht gleichbedeutend!
a) Was ist Härte?

Die Widerstandskraft eines Materials gegen plastische Verformung durch Eindringen eines härteren Körpers.
Kurz: Oberflächenresistenz gegen Eindringen, Kratzer oder Verschleiß.

b) Und Härtbarkeit?

Ein metallurgischer Begriff, besonders relevant bei Stählen.
Bedeutet:
Die Fähigkeit eines Stahls, bei der Wärmebehandlung (z. B. Abschrecken) eine harte Martensitstruktur zu bilden.

Technisch:
•    Härtbarkeit beschreibt die Eindringtiefe der gehärteten Zone – von außen nach innen
•    Abhängig von der Martensitverteilung
•    Kritischer Parameter: kritische Abkühlgeschwindigkeit

Wichtig:
Ein Material kann hart sein, aber nicht härtbar.
Oder härtbar, aber noch nicht gehärtet.

Beispiel: Messerstahl

Ist ein Messer nicht hart genug → stumpft schnell ab.
Ist der Stahl jedoch härtbar und wurde korrekt abgeschreckt → bleibt scharf und langlebig.
Fazit:
•    Härte = Momentaufnahme
•    Härtbarkeit = Potenzial durch Wärmebehandlung

Prüfkräfte in der Härteprüfung  Warum ist die Last so entscheidend?

„Zu wenig Kraft = ungenau. Zu viel Kraft = Schaden am Werkstück.“
Die Prüfmethode allein reicht nicht – entscheidend ist auch die aufgebrachte Kraft.

Warum?

Weil die Prüfkraft beeinflusst:
•    Das Verformungsverhalten
•    Die Eindruckgröße
•    Und vor allem: Den berechneten Härtewert

Beispiele für typische Lasten:

Rockwell:
•    Hauptkräfte: 60 kgf / 100 kgf / 150 kgf
•    Je nach Skala und Werkstoff: 
HRB (weiche Metalle): 1/16" Stahlkugel + 100 kgf
HRC (harte Stähle): Konischer Diamant + 150 kgf

Brinell:
•    Hohe Prüflast: 500 – 3000 kgf
•    Beispiel: 10 mm Stahlkugel + 3000 kgf → Standardtest für große, grobe Werkstücke

Vickers:
•    Vielseitig: 1 gf bis 100 kgf
•    Für Mikro- und Makrohärteprüfungen
•    Vorteil: Die Berechnungsformel bleibt unabhängig von der Last immer gleich

Knoop:
•    Typischer Lastbereich: 10 – 1000 gf
•    Ideal für sehr dünne Beschichtungen oder sensible Materialien

Was passiert bei falscher Last?
•    Oberflächennahe Effekte verfälschen das Ergebnis
•    Mikrostrukturverzerrung
•    Beschichtungen werden durchstoßen
•    Probenverformung oder dauerhafte Schädigung

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